Wegfall von Sprach- und Integrationskursen: Dramatische Konsequenzen für Frauen

Wegfall von Sprach- und Integrationskursen: Dramatische Konsequenzen für Frauen

Mit einem offenen Brief haben sich heute frauenpolitische Organisationen an Bundesinnenminister Alexander 
Dobrint und Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas gewandt. 
Darin fordern sie die Wiederaufnahme von Integrations- und Sprachkursen speziell für Frauen.

Leidtragende sind Frauen und Jugendliche
Seit dem 1.5.2025 werden Jugendintegrationskurse und Eltern- bzw. Frauenintegrationskurse nach und nach eingestellt.  Eine Wiederholung der B1-Prüfung ist nur noch für Teilnehmende an einem Alphabetisierungskurs oder an einem Kurs mit besonderem sprachpädagogischen Förderbedarf, sogenannte „gering Literalisierte“ möglich. Das Innenministerium will so angeblich die „Effizienz“ steigern. Doch das Gegenteil ist der Fall. Diese Neuregelung erschwert insbesondere Frauen, die sich hier integrieren und arbeiten möchten, das Leben und nimmt ihnen die Perspektive. Der B1 Sprachnachweis ist Voraussetzung für die Einbürgerung. B2 ist das Eintrittstor bei Arbeitgeber*innen für eine Ausbildung oder für eine qualifizierte Berufsausübung.

„Wir haben nicht genug Arbeitskräfte in Deutschland – es ist mir schleierhaft, warum wir auf eine so wertvolle Ressource wie Frauen mit Migrationsgeschichte verzichten wollen. Das ist nicht sparsam, dass ist kurzsichtig.“, so Bundessprecherin Luisa Arndt.

Strukturelle Diskriminierung von Migrantinnen statt Effizienzsteigerung
Migrantinnen und geflüchtete Frauen sind ohnehin wegen Sprachbarrieren, mangelnden Kinderbetreuungsangeboten und fehlenden Qualifizierungsmöglichkeiten benachteiligt. Sie brauchen besonders eine lebensnahe Unterstützung und Qualifizierungsangebote, die mit Familienaufgaben vereinbar sind. Sprachkurse sind entscheidend für Integration. Denn sie ermöglichen Bildung, Arbeit und gesellschaftlicher Teilhabe. Besonders frauenspezifische Kurse bieten einen geschützten Raum, in dem Frauen ihre Sprachkenntnisse verbessern, Selbstvertrauen gewinnen und sich auf die besonderen Herausforderungen ihrer Lebenssituation einstellen können. Das stärkt vor allem Mütter in ihrer (auch ökonomischen) Unabhängigkeit und stärkt ihre Kinder im Blick auf Rollenbilder Dazu kommt, dass wichtige Beratungsangebote wie Fachstellen für Alleinerziehende im Zuge der neuen Verordnung in Teilen ebenfalls schon gestrichen worden sind.

Folgekosten der Neuregelung höher als der Nutzen?
Der Wegfall dieser Kurse bedeutet, Frauen abzuhängen und es ihnen besonders schwer zu machen, existenzsichernde Arbeit zu finden und sich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Eine geringere Sprachkompetenz erhöht auch die Gefahr der sozialen Isolation und kann langfristig zu Armut und Abhängigkeit führen. Das hat auch extrem negative Auswirkungen auf die Kinder, die in Folge ebenfalls unter fehlender Integrierung leiden werden. Gleichzeitig ist es erwiesen, dass eine unabhängige Existenzsicherung für Frauen die nachhaltigste Prävention vor häuslicher Gewalt darstellt. Rein finanziell gesehen, dürften die Kosten solcher Gewalt die Ausgaben für Sprachkurse in der Summe um ein Vielfaches übersteigen.

Desaster für Kommunen und deutsche Wirtschaft
Die Folgen gerade in den Kommunen sind weitreichend, sowohl mit Blick auf den Arbeitsmarkt als auch auf die Integration in die Gesellschaft, denn es wird zu Verzögerungen bei der Integration und zu einem längeren Bezug von Sozialleistungen führen. Wenn qualifizierte Frauen durch fehlende Sprachförderung nicht ausreichend unterstützt werden, gehen wertvolle Potenziale verloren. Die explizite Reduzierung der frauenspezifischen Integrationsangebote sowie der Wegfall von Wiederholungsprüfungen gefährdet auch die Zukunft des deutschen Wirtschaftssystems.

„Ich empfinde es als einen Skandal, dass am Spracherwerb gespart wird. Besonders hart trifft es erneut Frauen. Keine Überraschung aber ein Umstand der dringend abgestellt gehört! Wir können und sollten es uns nicht leisten auf die Arbeitskraft von Frauen mit Migrationsgeschichte zu verzichten.“, betont Bundessprecherin Luisa Arndt.

Fehlentwicklung entgegensteuern!
Wir weisen hiermit nachdrücklich auf die umfassenden Folgen dieser Fehlentwicklung hin, die am tatsächlichen Effizienzgedanken vorbeigeht und mehr Kosten produziert sowie zusätzlich eine unwürdige Degradierung sowie besondere Härte mit sich bringt. 

Wir fordern die Bundesregierung daher dringend dazu auf, die vorgenommen sowie geplanten Kürzungen zurückzunehmen und die Bedeutung frauenspezifischer Integrationsangebote anzuerkennen.

Unsere Forderungen:

  • Beibehaltung bzw. Wiedereinführung der Möglichkeit für alle, den B.1-Kurs nach etwaigen Fehlversuchen zu wiederholen und damit abzuschließen
  • Erhalt und Ausbau von Frauenintegrationskursen, um die besonderen Bedürfnisse von Migrantinnen zu berücksichtigen und eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt sowie allgemein in gesellschaftliche Strukturen zu ermöglichen
  • Finanzielle Unterstützung für kommunale Anlaufstellen in den Jobcentern, bspw. in Form von Fachberatungsstellen für Alleinerziehende o.ä.
  • Übernahme von politischer Verantwortung für die gesellschaftliche Teilhabe und Fachkräftesicherung durch Sprachförderung von Frauen
  • Förderung von niedrigschwelligen und vereinbarkeitsfreundlichen Angeboten – um alle Frauen, unabhängig von Herkunft und Bildungsstand, zu erreichen und auch Teilnehmerinnen mit Sorgetätigkeit eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen

 

Mit freundlichen Grüßen

Meike Pinkernell, Daniela Kolb und Ann-Kathrin Schütz 
Landesarbeitsgemeinschaft hessischer Frauen- und Gleichstellungsbüros

Katrin Brüninghold und Luisa Arndt
BAG- Bundessprecherinnen

 

 

Wegfall von Sprach-und Integrationskursen: Dramatische Konsequenzen für Frauen

Jugendintegrationskurse und Eltern- bzw. Frauenintegrationskurse werden eingestellt. Das hat massive Konsequenzen für die Integration der Menschen und wird den Fachkräftemangel verschärfen. Folgen: mehr Kosten als Nutzen!
Offener Brief an Bärbel Bas und Alexander Dobrinth.