Grußwort von Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zur Veröffentlichung der BAG-Studie Gleichstellung als Regionalentwicklung:
Sehr geehrte Frau Löb, sehr geehrte Frau Runge,
liebe Kolleginnen aus dem Deutschen Bundestag,
meine sehr geehrten Damen und auch natürlich die vereinzelt hier anwesenden Herren,
noch mal ein herzliches Willkommen hier bei uns im BMFSFJ, im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und ich sage jetzt einfach mal im Bundesfrauenministerium, weil das ist heute nämlich angesagt. Ich freue mich natürlich, dass so viele Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte hier zusammen gekommen sind.
Dass es Sie gibt, ist keine Selbstverständlichkeit. Dem sind auch viele politische Kämpfe innerhalb und außerhalb der Parteien - Politik ist ja mehr als Parteipolitik - vorausgegangen. Dass es Sie nach wie vor gibt und dass es sie nach wie vor braucht, auch das ist alles keine Selbstverständlichkeit. Denn ich habe mit Verwunderung beziehungsweise eigentlich eher Entsetzen gelesen, und ich zitiere: "die Vorhaltung von Gleichstellungsbeauftragten in den Gemeinden, Kreisen, Ämtern und den Hochschulen ist nicht mehr zeitgemäß." So steht es, meine sehr geehrten Damen und Herren in einem Gesetzentwurf der AfD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag aus dem Juli diesen Jahres. Und weiter steht da auch - es wird jetzt auch nicht besser: "nach rund 30 Jahren aktiver Gleichstellung mit entsprechender Gesetzgebung bedarf es keiner gesonderten gesetzlichen Regelung mehr zur Gleichstellung von Frauen und Männern."
Ich weiß nicht, wann Sie, meine sehr geehrten Damen, das letzte Mal das Gefühl hatten, es gebe nichts mehr für Sie zu tun. Ich vermute jedenfalls, noch nie. Und das wird mit Sicherheit auch noch ziemlich lange so bleiben. Es reicht nämlich ein Blick in die Bürgermeisterämter, in die Verwaltungen, in die Kommunalparlamente, um zu sehen: von vollendeter wirklicher Gleichstellung kann nicht die Rede sein. Und für uns alle, für die gleichstellungsbewegten Frauen, aber natürlich - und darüber freuen wir uns sehr - es gibt natürlich auch gleichstellungsbewegte Männer, gibt es noch ziemlich viel zu tun.
Sie wissen, wie wichtig Ihre Arbeit vor Ort wirklich ist. Wie Sie gebraucht werden, wie das ankommt vor Ort, wie Ihre Arbeit auch Früchte trägt. Und ich, und ich sage jetzt auch wir – die Fachabteilung, Daniela Behrens, das Fachreferat, die ja auch hier begrüßt wurden, und unser Haus – wir wissen es natürlich auch. Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten spielen eine zentrale Rolle für die Gleichstellungspolitik generell und natürlich im ländlichen Raum. Oft sind Sie die einzige Anlaufstelle für gleichstellungspolitische Themen, von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz bis zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Aber auch natürlich, wenn es um weibliche Führungskräfte geht, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, wenn es darum geht, wie mache ich mich selbstständig – so viele Themen, die Sie auch entsprechend begleiten. Und gerade in ländlichen Räumen, die nicht immer, aber häufig ja auch strukturschwache Regionen sind, sind Sie für Frauen und ihre Familien ganz wichtige Akteure. Bei Ihnen laufen viele Fäden, viele Informationen zu diesen wichtigen Themen zusammen, die ich eben schon entsprechend aufgezählt habe. Dazu gehören natürlich auch Themen, wie Kinderbetreuung, Familienhilfe, Erziehungsberatung, auch sowas gehört alles in Ihren sehr vielfältigen und breiten Aufgabenbereich.
Es sind Sie, die die handelnden Personen vor Ort kennen. Es sind Sie, die vor Ort die Netzwerke bilden und auch am Leben erhalten. Sie sprechen mit den Menschen vor Ort und wissen, was Sie brauchen. Und wenn etwas fehlt, stoßen Sie auch neue Angebote mit an. Und damit tragen genau Sie im ländlichen Raum dazu bei, dass Hilfsangebote für Frauen dort ankommen, passgenau, wo sie gebraucht werden. Fest steht, Sie machen den ländlichen Raum lebenswerter und Sie gestalten ihn ganz aktiv mit Ihren Kenntnissen, mit Ihrem Know-How und ich denke man kann an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen, neben Ihrem Wissen mit ganz viel Empathie, Leidenschaft und auch Kraft. Und dafür an dieser Stelle erst einmal vielen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse haben wir im letzten Jahr ganz intensiv beraten, was es braucht, damit man in Deutschland - und zwar überall in unserem Land - gut leben kann. In der Stadt, in so einer großen Stadt wie Berlin und Stadt ist ja auch nicht gleich Stadt, es gibt die Großstadt, die Millionenstadt, es gibt die mittlere Stadt, die Kleinstadt. Und auch der ländliche Raum ist natürlich nicht nur der eine ländliche Raum. Auch da gibt es sehr, sehr große Unterschiede. Und was braucht es? Klar, es braucht gute Kitas, es braucht gute Schulen und es braucht grundsätzlich für Menschen egal in welchem Alter gute und verlässliche Infrastruktur. Überall muss diese Infrastruktur, und zwar für Menschen egal in welchem Alter, gewährleistet sein. Überall muss Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich sein.
Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist eben auch eine Frage, die man durchaus geschlechtsspezifisch betrachten muss. Wir wissen zum Beispiel, in vielen ländlichen Gebieten gibt es einen zahlenmäßigen Überhang von Männern im jungen und mittleren Alter, weil Frauen tendenziell eher dazu neigen, abzuwandern. Das betrifft insbesondere Ostdeutschland. Ohne die Chance auf Teilhabe am Arbeitsmarkt, aber auch am gesellschaftlichen Leben, in der Politik, werden diese Frauen, die sich einmal aufgemacht haben und sich entschieden haben "ich gehe woanders hin, um meine Potentiale zu entfalten, um mein Leben so zu führen, wie ich es leben kann", weder zurückkommen, noch wird verhindert, dass weitere Frauen abwandern.
Im ländlichen Raum stehen Frauen oft, ich glaube das kann man schon so festhalten, vor größeren Problemen als in der Stadt. Es gibt in der Regel weniger Jobangebote und je größer die Qualifikation ist, umso schwieriger wird es häufig. Man muss mindestens sehr viel längere Fahrstrecken dann für solche Jobs in Kauf nehmen. Auch die Betreuungsinfrastruktur ist erstens häufig nicht so gut ausgebaut und wenn sie vorhanden ist, auch nicht gerade um die Ecke. Das heißt, es braucht auch dort längere Wege, mehr Organisationskraft und auch mehr Zeit, wenn die Infrastruktur da ist, sie in Anspruch nehmen zu können. Und auch andere Unterstützungsangebote, auch Netzwerke sind oft nicht so vorzufinden und mindestens deutlich schwerer erreichbar.
Und gleichzeitig gibt es aber auch nach wie vor wenige Erhebungen zur Lebenssituation von Frauen im ländlichen Raum, wie wir immer so schön sagen. Und ich will an dieser Stelle noch einmal betonen, auch da gibt es nicht den einen ländlichen Raum, sondern auch da gibt es wirklich eine Fülle von Lebenswelten im ländlichen Raum. Es gibt wenig wissenschaftliche Erkenntnisse, es gibt auch nach wie vor wenig konkrete Politikansätze, die wirklich ganz gezielt auf die Unterstützung von Frauen in diesen unterschiedlichen ländlichen Räumen entsprechend hinwirken. Das Thema Gleichstellung im ländlichen Raum, ich denke, das kann man schon so sagen, ist in weiten Teilen ein echt blinder Fleck und noch ziemlich unerforscht und im Dunklen. Mindestens im Nebel und das passt auch zum Herbst.
Diesen blinden Fleck, den wollen wir heute mit der Studie zu kommunaler Gleichstellungsarbeit in ländlichen Räumen ausleuchten. Und wir bringen, wie in der Laternenzeit – im ländlichen Raum, bei mir kennt man das jedenfalls, und ich denke in vielen anderen Städten mit Sicherheit auch, das Laternen-Singen mit den Kindern. Auch da wird ja die Dunkelheit ausgeleuchtet. Und genau so machen wir das heute mit dieser Studie, indem wir Licht ins Dunkel bringen. Diese Studie ist, finde ich, ein wirklich wichtiger Schritt, um zu erfahren, vor welchen Herausforderungen steht die Gleichstellungsarbeit denn wirklich im ländlichen Raum. Wie unterscheiden sich eigentlich die Unterstützungsstrukturen zwischen Land und Stadt? Und welche Strategien haben Gleichstellungsbeauftragte entwickelt, um genau mit diesen Unterschieden umzugehen?
Und ich kann Ihnen sagen, auch in meinem Wahlkreis, in dem es acht Kommunen gibt, acht Gleichstellungsbeauftragte, haben die ganz andere Herausforderungen als meinetwegen die Gleichstellungsbeauftragte in der Landeshauptstadt Hannover, die nicht weit entfernt ist. Das ist ein anderes Networking, das ist ein anderes Aufstellen, wie man die Frauen erreicht. Und mein Wahlkreis, der zwar Hannover-Land heißt und durchaus auch ländlich ist, ist natürlich durchaus noch davon entfernt, so richtig, wie man in Niedersachsen sagt, auf dem platten Land zu sein, weil natürlich die Landeshauptstadt ziemlich dicht vor der Haustür liegt. Und auch das ist ja noch mal ein Unterschied. Aber auch da merke ich schon in meiner täglichen Arbeit und ich denke, den anderen Parlamentarierinnen, zwei sind ja was ich sehr wichtig finde auch hier anwesend, geht es genau so, dass auch die Arbeit da natürlich ganz anders ist. Und dass man merkt, wenn man sich mit den Gleichstellungsbeauftragten vor Ort unterhält, wie sie sich aufstellen müssen und wie unterschiedlich ihre Herausforderungen auch da entsprechend vor Ort sind.
Die Fragen, was Frauen und Männer im ländlichen Raum wirklich brauchen, damit Sie gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können, da gibt es in dieser Studie durchaus einige Hinweise und auch einige Antworten. Aber wie gesagt, wir beginnen damit Licht ins Dunkel zu bringen und das ist sicherlich alles andere als der Abschluss und die letzte Antwort, die wir damit geben. Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf die Ergebnisse der Studie, die ja gleich im Anschluss jetzt vorgestellt werden wird. Und ich hoffe, dass die Erkenntnisse im nächsten Schritt in die Planung und Entwicklung im ländlichen Raum, in den ländlichen Räumen einfließen.
Denn Gleichstellungspolitik kann nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn wir sie als gemeinsame Aufgabe aller wahrnehmen und umsetzen. Und wenn wir aber auch die Unterschiede vor denen die Gleichstellungspolitik und die Gleichstellungsbeauftragten jeweils vor Ort stehen, wirklich kennen und Sie auch dort in Ihren Aufgaben die optimale Unterstützung für Ihre wertvolle Arbeit vor Ort wirklich finden. Genau so ist unsere gemeinsame Aufgabe, meine sehr geehrten Damen und Herren, klarzustellen: Gleichstellungsbeauftragte sind unverzichtbar, drei Ausrufezeichen. Gleichstellungsbeauftragte unterstützen und beraten, sie packen die Probleme vor Ort an, sie krempeln die Ärmel hoch und sind alle Führungskräfte, im wahrsten Sinne des Wortes. Und wenn die AfD behauptet, Gleichstellungsbeauftragte sind nicht zeitgemäß, dann lautet meine Antwort - und ich denke, ich kann auch Sie mit reinnehmen, unsere Antwort: Eine Partei, die meint, man könnte auf Frauen in der Politik, in der Wirtschaft, im öffentlichen Leben verzichten, ich finde die ist alles andere als zeitgemäß.
Vielen Dank und ich freue mich jetzt auf die Vorstellung der Studie.