Offener Brief: Koalitionsvereinbarung - Viel Luft nach oben

Koalitionsvertrag: Gute Ansätze für Gleichstellung- aber viel Luft nach oben

Positiv: 
Fortführung der Ressorts übergreifenden Gleichstellungsstrategie, mehr Elterngeld, Mutterschutz für Selbstständige, höhere Strafen bei Gewalt an Frauen, mehr Sanktionen für Unterhaltsverweigerer.

Negativ: 
keine Abschaffung des Ehegattensplittings, keine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, kein Genderbudgeting, keine Überprüfung von Regierungsvorhaben nach Auswirkungen auf Frauen und Männer.
Mit vielen Verbänden haben wir im Vorfeld der Bundestagswahl immer wieder gleichstellungspolitische Forderungen an die künftige Bundesregierung gestellt. Trotzdem bleibt der Koalitionsvertrag in zentralen gleichstellungspolitischen Punkten zu vage. 

„Gleichstellung ist unabdingbar für unsere Demokratie und für eine moderne Gesellschaft. Gleichstellung zieht sich durch alle Bereiche unserer Gesellschaft und schadet ihr, wenn sie nicht umgesetzt wird. Wir fordern die künftige Bundesregierung dazu auf, Gleichstellung auf allen Ebenen zu fördern und Nachteile zu beseitigen.- denn das ist der Auftrag, der im Grundgesetz festgeschrieben steht.“, so BAG Bundessprecherin Tinka Frahm.

Zu einzelnen Vorhaben: 
Wir begrüßen, dass Union und SPD die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorantreiben wollen. Dazu braucht es zügige und konkrete Maßnahmen, wie z.B. die flächendeckende Kinderbetreuung und Anreize für die gerechte Verteilung von Carearbeit. 

Die Weiterführung des Ehegattensplittings konterkariert diese Ziele, da sie traditionelle Rollenbilder zementiert und Frauen in ökonomischer Abhängigkeit hält:  die Frau, die für Carearbeit zuständig ist und lediglich zum Familieneinkommen „dazuverdient“, und der vollerwerbstätige Ehemann, der das Geld nach Hause bringt. Je größer der Einkommensunterschied, desto höher ist der finanzielle Vorteil, der mit dazu beiträgt, die traditionellen Rollenbilder zu manifestieren. 

Mit Sorge sehen wir fehlende Vereinbarungen im Umweltschutz. Die Klimakatastrophe ist die schlimmste Bedrohung unserer Zukunft. Schon jetzt spüren wir auch hier die Folgen. Weltweit, aber auch in Deutschland, sind vor allem Frauen, die Leidtragenden- das zeigt der 4. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Klimaschutz ist Gleichstellungspolitik!

Besorgniserregend ist zudem die restriktive Asyl- und Migrationspolitik, die Aussetzung des Familiennachzugs trifft vor allem Frauen, die mit ihren Kindern in gefährlichen Lebensverhältnissen ausharren müssen und führen nicht zur Integration von Männern. Außerdem werden Fluchtwege für Frauen so noch unsicherer.
Die fehlende Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs bleibt ein schwerwiegendes Defizit. Das ist bitter, da Frauen weiterhin die Entscheidung über den eigenen Körper und damit das Recht auf Selbstbestimmung genommen wird. Dies widerspricht den Empfehlungen der Expert*innenkommission und dem Wunsch der Mehrheit der deutschen Bevölkerung, die zu 75 % eine Neuregelung des § 218 außerhalb des Strafgesetzbuches befürwortet.

Wir begrüßen die im Koalitionsvertrag vereinbarten schärferen Strafen von Vergewaltigern. Allerdings irritiert uns, dass die Strafe wesentlich höher ausfallen soll, wenn sie von einer Gruppe begangen wird und wenn die Vergewaltigung eine Schwangerschaft nach sich zieht. Diese geplante Verschärfung der Strafen für Vergewaltigungen nur in bestimmten Konstellationen birgt die Gefahr, dass andere Fälle als weniger schwer bewertet werden. Vergewaltigung ist aber Vergewaltigung und fügt einer Frau eine lebenslange Verletzung zu.  Vergewaltigung muss ohne Unterschied wesentlich höher bestraft werden, als bisher.

Sehr geehrte Damen und Herren der künftigen Bundesregierung: Setzen Sie Zeichen für eine Gleichstellungspolitik, die Schutz vor Gewalt, ökonomische Unabhängigkeit, eine gerechte Verteilung der Care-Arbeit und gleiche Repräsentanz von Frauen und Männern in Politik, öffentlichen Ämtern und in allen Lebensbereichen umfasst.  

Mädchen und Frauen sind die Hälfte der Bevölkerung – Gleichstellung bedeutet Demokratie!

Mit freundlichen Grüßen

Tinka Frahm und Katrin Brüninghold
Bundessprecherinnen
 

Offener Brief und Pressemitteilung

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