Die Laudatio für Magdeburg wurde von Renate Sternatz, DGB Hessen-Thüringen, für Kleve von Lisi Maier, Bundesstiftung Gleichstellung, für Münster von Maria Unger, Altbürgermeisterin Gütersloh und für Verden (Aller) von Cécile Weidhofer, EAF gehalten.
Laudatio für Magdeburg
Magdeburg - Eine Stadt vom Umbruch zum Gender Champion
Laudatio von Renate Sternatz, stv. DGB Vorsitzende Hessen-Thüringen
Die Wendezeit hat Magdeburg - wie den gesamten Osten – vor besondere Herausforderungen gestellt. Die Deindustrialisierung erfolgte insbesondere im Schwermaschinenbau, dort verloren z.B. 20 000 Menschen auf einen Schlag ihren Job. Ingenieurinnen, Mathematikerinnen oder auch Kranführerinnen wurden arbeitslos. Arbeit fanden sie danach kaum, weil ihre Berufe nicht dem damaligen westdeutschen Frauenbild entsprachen. Besonders hart traf es die damals 50-60-jährigen Frauen, viele beendeten ihr Berufsleben in Auffanggesellschaften bzw. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten führten zu einem massiven Geburtenknick, bis 1994 sank die Geburtenrate auf 0,8 Kinder je Frau. Wie ging es weiter? Neustart: Handlungsbedarf gab es also ausreichend. Mit dem Neuaufbau der Verwaltung seit 1990 waren die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten von Anfang an gefordert. Die Gleichstellungsstelle wurde gegründet. Um die Aufgabenfülle bewältigen zu können, wurden verschiedene Projekte über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angedockt. Engagierte Frauen, Gewerkschafter*innen und Politiker*innen forderten gemeinsam ein Gleichstellungsgesetz für Sachsen-Anhalt. Im Jahr 1993 wurde das Frauenfördergesetz verabschiedet mit der Zielsetzung, die berufliche Situation und Entwicklung von Frauen zu verbessern und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer zu fördern. In diesem Zusammenhang lernte ich Editha Baier, die erste Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Magdeburg kennen und schätzen. 1992 hatte ich mich beruflich verändert und bin als junge alleinerziehende Frau nach Magdeburg gezogen. Damit ich beruflich tätig sein konnte brauchte ich neben der Regelschule für meinen Sohn auch ein Betreuungsangebot für den Nachmittag, das über den Hort für die Schulkinder bis zur 4. Klasse selbstverständlich war. Mein Berufsweg hätte mich ohne das Angebot zur Kinderbetreuung und damit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nach Magdeburg geführt. Dort habe ich die Stadt im Umbruch, engagierte Frauen und Freunde kennen und schätzen gelernt.
Kommunen sind wichtige gleichstellungspolitische Player
Auf dem Weg in eine geschlechtergerechtere Gesellschaft haben die Kommunen eine wichtige Rolle. Sie müssen den Wandel organisieren und die Bedingungen dafür schaffen, dass Geschlechtergerechtigkeit im Alltag gelebt werden kann. Damit das funktioniert, braucht es eine kommunale Infrastruktur, die Familien und Alleinerziehenden die notwendige Unterstützung anbietet und die wirtschaftliche Aktivität von Frauen fördert. Da sind auch die Männer in den Blick zu nehmen, als Menschen mit Sorgeverantwortung für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige. Moderne Gleichstellungspolitik nimmt nicht nur das Individuum in den Blick, sondern auch gesellschaftliche Strukturen, die Entscheidungen und Handlungsspielräume von Menschen prägen und auf diese Weise wesentlichen Einfluss auf die Geschlechterverhältnisse haben. Kommunen sind also gleichzeitig selbst Akteurin und Schauplatz der Geschlechterpolitik.
Die Stadt Magdeburg ist Gender Champion 2025
Die Bewerbung der Stadt Magdeburg hat uns in der Jury alle gleichermaßen begeistert. Der Gender Champion kommt aus dem Osten, so das einstimmige Votum der Jury. Ausschlaggebend war die umfassende und strategische Planung sowie Umsetzung der Gleichstellungsarbeit. Dazu gehört der Beitritt zur Europäischen Charta zur Gleichstellung im Jahr 2015 und die gezielte Umsetzung von Maßnahmen in den verschiedensten Politikfeldern, u.a. bei Beruf und Arbeit, soziale Absicherung und Gesundheit. In der Kinder- und Jugendhilfeplanung wird mit einer geschlechtergerechten Haushaltsteuerung und konkreten Zielzahlen gearbeitet, so z. B. das Mädchen- und Jungencamp mit geschlechterbezogenen Angeboten zur Unterstützung der Emanzipation. In Magdeburg werden die verschiedenen Lebenswirklichkeiten von Frauen – alleinerziehende Frauen, in der DDR geschiedene Frauen, geflüchtete Frauen, Frauen mit Beeinträchtigungen - bei Vorhaben und Aktivitäten der Verwaltung mitgedacht. Ein weiterer Pluspunkt sind die vielfältigen Maßnahmen zur Aktivierung der Stadtgesellschaft zum Thema Gleichstellung, z. B. das Netzwerk Politischer Runder Tisch der Frauen. Die Organisation der Gleichstellungsfragen in einem Amt ist nach unserer Auffassung ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Auch bei der Förderung der Gleichstellung innerhalb der Verwaltung und in der Politik geht die Stadt mit vielen guten Beispielen voran. Die Stadt wird aktuell von einer Frau geführt, Frau Borris ist Oberbürgermeisterin. Magdeburg hat auch mit dem Leben und Wirken von Elfriede Paul eine frauen- und gleichstellungspolitische auch eine Vorkämpferin aufzuweisen. Sie war im Widerstand aktiv, später Ministerin für Arbeit, Aufbau und Wohlfahrt des Landes Hannover und von 1956-1964 erste Professorin an der Medizinischen Akademie Magdeburg. Als Mitbegründerin und Leiterin des Instituts für Sozialhygiene galt ihr wissenschaftliches Interesse vor allem dem Gesundheitsschutz der berufstätigen Frau. 1961 eröffnete sie die landesweit erste Ehe- und Familienberatungsstelle. Auch heute hat die Stadt ein Alleinstellungsmerkmal, denn Frau Professorin Dr. Ute Seeland hat die bundesweit einzige Professur für Gendermedizin. Magdeburg gewinnt mit ihrem Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit den Gender Award in der Kategorie „große Städte“. Herzlichen Glückwunsch!
Laudatio für Kleve
Kleve: Repräsentanz, Strategie und Partizipation
Laudatio von Lisi Maier, Bundesstiftung Gleichstellung
Ich muss gestehen, dass die Region Niederrhein mir nicht allzu viel sagte, als ich die Unterlagen der Stadt Kleve das erste Mal gesichtet habe. In der Jurysitzung wurde uns dann mitgeteilt, dass ein guter Aufhänger für eine Laudatio eine persönliche Gemeinsamkeit oder ein persönlicher Bezug zur Stadt wäre. Ich musste allerdings feststellen: so einfach ist das für mich gar nicht: denn während man in Kleve heute schon sieht, wer morgen kommt, ist man in meinem Heimatdorf mit hohen Bergen und manchmal zu wenig Weitsicht ausgestattet. Das hat dann vielleicht auch dazu geführt, dass erst bei der Gemeinderatswahl 2008 in meinem eigenen Heimatdorf das erste Mal mehr als zwei Frauen in den Gemeinderat einzogen und mit 3 Plätzen 16% des Rats stellten, während in Kleve bereits 1919 im ersten Jahr des Frauenwahlrechts von damals 30 gewählten Stadtverordneten 4 Frauen und damit ein Frauenanteil von 16% in das Klever Rathaus einzogen.
Kleine Kommune mit großen Gleichstellungsaktivitäten
Kam dieser frühe emanzipatorische Anspruch vielleicht daher, weil der Wind des Feminismus am Niederrhein weht, wo bereits im späten Mittelalter zahlreiche Beginenkloster – so auch in Kleve – standen? Die Beginen gelten einigen als Vorläuferinnen der Frauenemanzipation, weil sie frei von Ehe und klassischem Kloster eigenständige, gemeinschaftliche Lebens- und Arbeitsformen für Frauen ermöglichten. Die Klever Gleichstellungsarbeit steht also auf den Schultern starker Frauen und Vorkämpferinnen der Emanzipationsbewegung und sie wird auch heute noch von starken Frauen und Gleichstellungsakteur*innen weiter gestaltet. Von der Väterausstellung zu modernen Väterrollen über Genderkompetenz als Grundvoraussetzung für Führungskräfte bis hin zur Erstellung des Haushaltsplanes unter Überprüfung des Nachhaltigkeitsziels Gleichstellung - beeindruckt hat uns als Jurymitglieder die thematische Vielfalt der Projekte, Maßnahmen und Aktivitäten, die Kleve als kleine Kommune auf den Weg gebracht und umgesetzt hat. Hierzu zählen erstens die umfangreichen Aktivitäten um den Anteil der weiblichen Führungskräfte in der Verwaltung zu erhöhen; zweitens die Tatsache, dass städtische Maßnahmen einer Gleichstellungsprüfung – einem sogenannten Gleichstellungscheck unterzogen werden und drittens dass die Beschäftigten zum Thema Gleichstellung befragt werden. Repräsentanz, Strategie und Partizipation – stellen die Grundpfeiler der Klever Gleichstellungspolitik dar. Denn man merkt – in Kleve macht man nicht Stückwerk, diese vielfältigen Projekte folgen einem ganzheitlichen Konzept für Gleichstellung, das sich wie ein roter Faden durch die Maßnahmen zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit in Kleve zieht. Der Gleichstellungsplan selbst spiegelt das auch entsprechend wider. Unter anderem auf Basis einer Mitarbeitendenbefragung, an welcher 71% der Belegschaft teilgenommen haben, wurde dieser Gleichstellungsplan strategisch weiterentwickelt. Er setzt an den strukturellen und institutionellen Verhältnissen, Gewohnheiten und Abläufen an, die der Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern noch entgegenwirken und versucht hier explizit Änderungen anzuregen und zu implementieren. Anhand konkret messbarer Zielvorgaben, deren Umsetzungsstände bei Bedarf evaluiert und nach zwei Jahren überprüft werden, soll die Unterrepräsentanz von Frauen in den jeweiligen Berufs- und Funktionsbereichen abgebaut und Maßnahmen zur Förderung von Gleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie ergriffen werden.
Zugleich ist Gleichstellung eingebunden in die Prozesskette Nachhaltigkeit der Stadt Kleve. Das Nachhaltigkeitsziel 5 „Gleichstellung der Geschlechter“ soll, wie alle 17 Ziele, bis 2030 erreicht werden. Damit wird Gleichstellung zum Ziel aller, sie wird zum Ziel der gesamten politischen Akteur*innen der Stadt Kleve und der Stadtgesellschaft als Ganzes.
Gleichstellung: Vorrausetzung für Fortschritt, Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit
Denn Gleichstellung ist nicht nur gerecht. Sie ist Vorrausetzung für Fortschritt, Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft. Ohne Gleichstellung gibt es keine nachhaltige Entwicklung, sagen die Vereinten Nationen in den Entwicklungszielen ihrer Agenda 2030. Ohne Gleichstellung kann die sozial-ökologische Transformation nicht gelingen sagt das aktuelle Sachverständigengutachten des 4. Gleichstellungsberichts. Was weltweit gilt, gilt auch für die Kommunen in Deutschland: Uns als Jury gefiel deshalb außerordentlich, dass Kleve diese kommunale Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet, in der Gleichstellungsgesichtspunkte integriert und an der Bürger*innen der Stadtgesellschaft beteiligt sind. Auch bei der Entwicklung des Gewaltschutzkonzepts, wurden Bürger*innen und Expert*innen partizipativ eingebunden und der Fokus auf die Umsetzung der Istanbul Konvention in Bezug auf die Sicherheit im öffentlichen Raum gelenkt. Das ist vorbildhaft und nachahmenswert und hat uns als Jury auch in der Form der praktischen Umsetzung überzeugt. Liebe Stadt Kleve, Sie und ihr stehen und steht auf den Schultern von Riesinnen, deren Geschichte ihr auf der Webseite der Stadt unter dem Reiter „Klever Frauengeschichte“ aufarbeitet. Auf diesem gelegten Fundament von Repräsentanz, Strategie und Partizipation baut ihr und bauen Sie mit unglaublich großer Energie, mit ganz viel Geschick und Tatkraft weiter an der gleichgestellten Stadtgesellschaft. Was würden Josephine Rouenhoff, Meta Obhaus, Kathe Janssen und Susanne Lensing wohl heute sagen? Vielleicht das was ich Ihnen und Euch jetzt sagen darf: Herzlichen Glückwunsch zum verdienten ersten Platz beim Gender Award Kommune mit Zukunft in der Kategorie Kommunen unter 100 000 Einwohnerinnen!
Laudatio für Münster
Münster: Vorbild für kreative Gleichstellungsarbeit
Laudatio von Maria Unger, Bürgermeisterin a.D., Gütersloh
Entweder regnet es in Münster, oder es läuten die Glocken. Geschieht beides gleichzeitig, ist Sonntag.“ Oder aber: „Sie denken nach, bevor sie reden, handeln überlegt, haben ihren eigenen Kopf und nehmen die Dinge gerne selbst in die Hand“ ,so der Volksmund über die MünsteranerInnen und auch die Menschen aus dem Münsterland. CHATGPT hat mir einiges über die Menschen in der geschichtsträchtige Stadt verraten, was ich allerdings - augenzwinkernd - ohnehin schon über sie wusste und selbst erlebt habe. Münster, die Stadt des Westfälischen Friedens,- Hier fand auch im April diesen Jahres die 2. Friedenskonferenz im Historischen Ratssaal statt, bei der die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer mit dem Sonderpreis des Westfälischen Friedens geehrt wurde -. Ein bekannter Gütersloher Unternehmer hat gemeinsam mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier den Preis überreicht. Münster, die Fahrradhauptstadt Deutschlands- Es gibt mehr Fahrräder als EinwohnerInnen. Die Stadt verfügt über ein weitläufiges Netz von Radwegen, das sie zu einem Paradies für Fahrradliebhaber macht. Münster, die lebendige Universitätsstadt: - Mit über 65.000 Studierenden gehört Münster zu den größten Universitätsstädten Deutschlands. Münster, die tolle Einkaufsstadt - mich zieht es jedenfalls mindestens ein Mal im Jahr zum Einkaufsbummel nach Münster. Aber bitte verraten Sie mich nicht bei den Gütersloher EinzelhändlerInnen. Wir alle kennen den Münster-Tatort, ebenso den legendären Wilsberg-Krimi mit Leonard Lansink als Wilsberg und Oliver Korrittke als Ekki Talkötter, der seit 1995 im ZDF ausgestrahlt wird. Und wussten Sie, dass berühmte Frauenpersönlichkeiten wie Annette von Droste Hülshoff, die Dichterin und Komponistin auf der Burg Hülshoff bei Münster geboren wurde? Und wussten Sie, dass Münster schon einmal eine Oberbürgermeisterin in der Zeit von 1994-1999 hatte. Marion Tüns. Wir beide haben uns mehrmals in ihrer Amtszeit von Kollegin zu Kollegin ausgetauscht. Vermutlich wurde zu der Zeit schon der Grundstein für die hervorragende Unterstützung der Gleichstellungsarbeit gelegt und so erfolgreich von den beiden Nachfolgern im OB-Amt fortgeführt.
Münster: Vorbild für Gleichstellungsarbeit
Uns als Jury hat beeindruckt, wie die Stadt Münster es sich zur Aufgabe gemacht hat, Projekte und Maßnahmen für die Bürgerinnen und für die Beschäftigten der Verwaltung strategisch, partizipativ und nachhaltig zu planen und umzusetzen. Es ist eine Aufgabe, die nicht nur Zahlen, Statistiken verändert, sondern auch Herzen und Perspektiven. Die Gleichstellungsarbeit hat sich in Münster über die Jahre hinweg stetig weiterentwickelt und ist heute ein Vorbild für viele andere Städte. Sie haben bereits im Jahre 2009 die Europäische Charta für Gleichstellung unterzeichnet. Und ein bedeutender Meilenstein war die Einführung von Gendermonitoring und Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Führungspositionen. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist beispielsweise innerhalb der Stadtverwaltung in den letzten vier Jahren auf 42% gestiegen. Der Verwaltungsvorstand der Stadt Münster ist bei 6 Personen mit insgesamt 2 weiblichen Personen besetzt. Der Rat besteht aus 41 Ratsherren und 25 Ratsfrauen. Augenzwinkernd, da ist sicher bezüglich Quotierung noch Luft nach oben. Im September sind übrigens Kommunalwahlen in NRW. Eine gute Gelegenheit für die Parteien, ihre Ratslisten gendergerecht aufzustellen. Besonders hervorgehoben hat die Jury die Maßnahmen, Aktionspläne zur Stärkung von LSBTIQ* . Ebenso die Umsetzung der Istanbul-Konvention.
Erfolg durch Zusammenarbeit aller Fachämter
Das Team im Amt für Gleichstellung arbeitet Hand in Hand für die Gleichstellung aller Geschlechter und verfügt seit 2020 über personelle Ressourcen für die erweiterten Arbeitsbereiche LSBTIQ* und Jungen und Männer in der Gleichstellungsarbeit. Hier wurde z.B. bei der Bedarfsermittlung eine stadtweite Befragung der queeren Community durchgeführt. Und auf den 5. Charta-Aktionsplan mit dem Schwerpunkt Klima- und Gendergerechtigkeit können sie als Team sehr stolz sein, weil es insbesondere ein tolles Ergebnis der Zusammenarbeit vieler Fachämter und ebenso ein gutes Beispiel für Gender Mainstreaming ist. In diesem Jahr werden Sie noch Vorträge/Workshops zum Gender Planning, zur fairen Zeitverteilung, zur sicheren Kindermobilität usw durchführen. Kompliment! Ebenso wurde von der Jury besonders erwähnt, dass es in Münster einen hohen Anteil von Vätern in der Elternzeit gibt. Durch eine vorurteilsfreie und unterstützende Haltung können mögliche Bedenken der Beschäftigten, insbesondere in Bezug auf längere Elternzeiten abgebaut werden. Dies trägt dazu bei, die Akzeptanz familienbedingter Auszeiten zu erhöhen und männliche Beschäftigte zu ermutigen, Elternzeit in Anspruch zu nehmen und ihren Anspruch auch auszuschöpfen. Ihre Kommune beteiligt sich aktiv an der landesweiten Organisation des „Väter Summits NRW“, einer Veranstaltung, die werdende und aktive Väter sowohl aus der Stadtverwaltung als auch aus der Stadtgesellschaft anspricht. Beispiel: Im Jahr 2023 lag der Anteil der Väter, die insgesamt in Münster Elterngeld bezogen haben bei 33,7% und liegt deutlich über dem Landesdurchschnitt von 24,9%. Gleichstellung ist kein Selbstläufer. Es erfordert Einsatz, Beharrlichkeit und den festen Willen, Ungerechtfertigkeiten nicht einfach hinzunehmen. DANKE an alle, die daran mitwirken, die Türen zu öffnen, Chancen zu schaffen und Wandel zu ermöglichen. Meine Herren und Damen, es gäbe noch sehr viel Gutes zu berichten, aber dazu reicht meine Redezeit nicht. Die Ansprechpartnerinnen aus Münster stehen Ihnen sicher gerne zur Verfügung. Bleiben Sie weiter am Ball - trotz knapper Ressourcen - nehmen Sie weiter die Stimmungen und Strömungen in Ihrer so schönen Stadt auf. Denn Erfolge müssen immer wieder aufs Neue verteidigt und neue Herausforderungen gemeistert werden. Übrigens: Theodor Heuss hat einmal auf die Frage, welche die schönste Stadt sei, geantwortet: MÜNSTER: Großes Kompliment! Enden möchte ich mit einem Zitat von Klara von Assisi, der Gründerin des Klarissenordens, das - wie ich finde - immer noch - nach über 1000 Jahren gilt. Ich zitiere: „Woran du festhältst, das halte fest. Was du tust, das tue und werde nicht müde“. HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH MÜNSTER zum 2. Preis Gender Award Großstadt!
Laudatio für Verden (Aller)
Gleichstellung mit voller Unterstützung des Rates
Laudatio von Cécile Weidhofer, EAF Berlin
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Lutz Brockmann, Sehr geehrte Frau Dr. Kathrin Packham, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Verden! Liebe Mitstreiterinnen, es ist mir eine große Ehre, eine Freude und zugleich eine Verantwortung, heute im Namen der Jury die Laudatio für die Stadt Verden zu halten. Bevor ich mit der eigentlichen Laudatio beginne, muss ich kurz etwas loswerden: In der Jury-Sitzung haben wir uns nicht nur mit gleichstellungspolitischen Kriterien beschäftigt – nein, wir hatten eine echte Sprachkrise. Es ging heiß her: Verden, Ferden, Vördn - Zwischendurch sah es fast so aus, als würden wir eher ein Seminar in Phonetik abhalten als eine Jury-Sitzung. Doch jenseits dieser heiteren Debatte wurde uns schnell klar: Über die niedersächsische Stadt zu sprechen, heißt über Haltung, Veränderungswillen und gelebte Gleichstellung zu sprechen. Als Frau, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, und als jemand, der sich hauptamtlich und ehrenamtlich für mehr Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt in der Politik einsetzt– weiß ich: Gesellschaftlicher Wandel passiert nicht einfach. Er wird gemacht. Mit Mut, mit Vision – und mit dem festen Willen, wirklich etwas zu verändern. Und genau dieser Wandel findet seit vielen Jahren in Verden statt. Ein gutes Beispiel dafür ist die frühkindliche Bildung: In Verden gibt es wohnortnahe Kitas mit hoher Qualität – verlässlich geöffnet von 7 bis 16 Uhr. Die Stadt geht hier mit einem Betreuungsschlüssel von möglichst drei Fachkräften pro Gruppe über die landesrechtlichen Vorgaben hinaus und setzt Standards, an denen sich andere orientieren könnten.
Paritätisch, bewusst, entschlossen und intersektional
Denn ein Kita-Platz bedeutet nicht nur Betreuung – er bedeutet Teilhabe und Zukunftschancen – für Kinder, für Eltern, für Mütter. Auch in der Schule geht die Reiterstadt mutig voran:
Während der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Niedersachsen erst 2026 greifen wird, haben in Verden schon heute alle Grundschulkinder die Möglichkeit, am Ganztagsangebot teilzunehmen. Ganztagsgrundschulen, Ferienbetreuung, auch für die Beschäftigten der Stadt durch Belegplätze, flexible Arbeitszeiten –Das ist echte Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf! Und Verden hat alle Generationen im Blick: Ein besonders schönes Beispiel ist der sogenannte „Männerschuppen“ – ein Treffpunkt für Männer ab 50, der Einsamkeit vorbeugt und echte Gemeinschaft ermöglicht. Ursprünglich kommt die Idee aus Australien, in Verden wurde sie gemeinsam mit der Uni Bremen wissenschaftlich begleitet. Und was uns besonders beeindruckt hat: Auch nachdem die Förderung ausgelaufen ist, hat die Stadt gesagt – das bleibt. Wir tragen das weiter. Aus eigener Kraft. Natürlich – nicht jede Kommune kann Projekte einfach so weiterführen. Auch in Verden muss man Prioritäten setzen. Aber genau das passiert hier mit Haltung: Verden entscheidet sich bewusst für die Menschen, die sonst oft übersehen werden. Das zeigt sich besonders deutlich bei den Angeboten für Frauen mit Migrationsgeschichte: Fahrradkurse, Sprachförderung mit Kinderbetreuung, Empowerment-Workshops. Teilhabe wird in Verden nicht nur eingefordert –sie wird ermöglicht. Und wenn wir beim Thema Teilhabe sind: Während bundesweit nur rund 30 Prozent der kommunalen Mandate mit Frauen besetzt sind, liegt Verden bei fast 50 Prozent! Das ist ein echter Schlüssel für Wandel – denn ohne gleichberechtigte Teilhabe ändert sich nichts. Seit vielen Jahren steht übrigens zwischen Rathaus und Stadtmauer ein Spirallabyrinth, dessen Stelen von Verdenerinnen gestaltet wurden. Sie erinnern an die Frauen, die diese Stadt geprägt haben. Es würde mich nicht wundern, wenn dieses Labyrinth nicht ganz bald erweitert werden müsste!
Zahlen allein bewirken noch keine Veränderung
Was Verden wirklich auszeichnet, ist das Miteinander . Im Stadtrat kommen vielfältige Perspektiven zusammen, eine engagierte Zivilgesellschaft bringt sich ein, und, ganz entscheidend: eine Verwaltung mit Gestaltungswillen treibt Veränderungen voran. Besonders hervorheben möchte ich die mutige und beharrliche Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten – ebenso wie das klare und verlässliche Engagement des Bürgermeisters. In Verden wird gemeinsam gestaltet: bewusst, entschlossen und intersektional. Es ist darum kaum verwunderlich, dass Verden sich auch durch eine echte Kultur der Beteiligung auszeichnet – etwa beim Thema Sicherheit im öffentlichen Raum oder in der Verkehrsplanung. Ich nenne gerne zwei Beispiele. Beim „Night-Walk“ haben Mädchen und Frauen gemeinsam mit Streetworkerinnen und der Polizei unsichere Orte in der Stadt identifiziert. Die verkürzten Beleuchtungszeiten während der Energiekrise wurden angepasst. Mehr Licht, mehr Sicherheit, mehr Freiheit – für alle. Im Rahmen eines Fußverkehrs-Checks prüften Bürgerinnen und Bürger mit Verwaltung und Politik die Gehfreundlichkeit der Innenstadt. Verden gehört zu den ersten Kommunen in Niedersachsen, die dabei die Expertise der Mobilotsin genutzt haben – mit besonderem Fokus auf sichere, barrierefreie Wege für Frauen und Kinder. Verden denkt nach vorn und zeigt zugleich: Zukunft entsteht nur dann, wenn wir auch unsere Geschichte kennen und lebendig halten. Mit ihrer feministischen Erinnerungskultur - ich empfehle die Stadtführung zu Verdens starke Frauen - bewahrt und ehrt Verden das Erbe von Anita Aug-spurg – der großen Frauenrechtlerin, die 1857 in Verden zur Welt kam und einst schrieb: „Was verstehen wir unter dem Recht der Frau? Nichts anderes als das Recht der Menschen überhaupt.“ Diese Worte sind heute so aktuell wie damals. Verden hat verstanden: Gleichstellung ist kein Sonderrecht. Sie ist das Herzstück einer gerechten Gesellschaft. Sehr geehrte Frau Dr. Packham, Sehr geehrter Herr Brockmann Danke. Sie geben Hoffnung. Sie machen Mut. Und Sie zeigen uns: Eine Stadt kann ein Zuhause für alle sein – wenn sie jeder Lebensgeschichte Raum gibt, Respekt entgegenbringt und Teilhabe ermöglicht. Im Namen der Jury gratuliere ich Ihnen von Herzen.