Laudatien für die Preisträgerinnen

Die Laudatio für Magdeburg wurde von Renate Sternatz, DGB Hessen-Thüringen, für Kleve von Lisi Maier, Bundesstiftung Gleichstellung, für Münster von Maria Unger, Altbürgermeisterin Gütersloh und für Verden (Aller) von Cécile Weidhofer, EAF gehalten.

Kommunen sind wichtige gleichstellungspolitische Player

Frau mit kurzen weißen Haaren,  Brille und grünem Jacket

Auf dem Weg in eine geschlechtergerechtere Gesellschaft haben die Kommunen eine wichtige Rolle. Sie müssen den Wandel organisieren und die Bedingungen dafür schaffen, dass Geschlechtergerechtigkeit im Alltag gelebt werden kann. Damit das funktioniert, braucht es eine kommunale Infrastruktur, die Familien und Alleinerziehenden die notwendige Unterstützung anbietet und die wirtschaftliche Aktivität von Frauen fördert. Da sind auch die Männer in den Blick zu nehmen, als Menschen mit Sorgeverantwortung für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige. Moderne Gleichstellungspolitik nimmt nicht nur das Individuum in den Blick, sondern auch gesellschaftliche Strukturen, die Entscheidungen und Handlungsspielräume von Menschen prägen und auf diese Weise wesentlichen Einfluss auf die Geschlechterverhältnisse haben. Kommunen sind also gleichzeitig selbst Akteurin und Schauplatz der Geschlechterpolitik.

Kleine Kommune mit großen Gleichstellungsaktivitäten

Frau mit dunklen halblangen Haaren am Rednerpult

Kam dieser frühe emanzipatorische Anspruch vielleicht daher, weil der Wind des Feminismus am Niederrhein weht, wo bereits im späten Mittelalter zahlreiche Beginenkloster – so auch in Kleve – standen? Die Beginen gelten einigen als Vorläuferinnen der Frauenemanzipation, weil sie frei von Ehe und klassischem Kloster eigenständige, gemeinschaftliche Lebens- und Arbeitsformen für Frauen ermöglichten. Die Klever Gleichstellungsarbeit steht also auf den Schultern starker Frauen und Vorkämpferinnen der Emanzipationsbewegung und sie wird auch heute noch von starken Frauen und Gleichstellungsakteur*innen weiter gestaltet. Von der Väterausstellung zu modernen Väterrollen über Genderkompetenz als Grundvoraussetzung für Führungskräfte bis hin zur Erstellung des Haushaltsplanes unter Überprüfung des Nachhaltigkeitsziels Gleichstellung - beeindruckt hat uns als Jurymitglieder die thematische Vielfalt der Projekte, Maßnahmen und Aktivitäten, die Kleve als kleine Kommune auf den Weg gebracht und umgesetzt hat. Hierzu zählen erstens die umfangreichen Aktivitäten um den Anteil der weiblichen Führungskräfte in der Verwaltung zu erhöhen; zweitens die Tatsache, dass städtische Maßnahmen einer Gleichstellungsprüfung – einem sogenannten Gleichstellungscheck unterzogen werden und drittens dass die Beschäftigten zum Thema Gleichstellung befragt werden. Repräsentanz, Strategie und Partizipation – stellen die Grundpfeiler der Klever Gleichstellungspolitik dar. Denn man merkt – in Kleve macht man nicht Stückwerk, diese vielfältigen Projekte folgen einem ganzheitlichen Konzept für Gleichstellung, das sich wie ein roter Faden durch die Maßnahmen zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit in Kleve zieht. Der Gleichstellungsplan selbst spiegelt das auch entsprechend wider. Unter anderem auf Basis einer Mitarbeitendenbefragung, an welcher 71% der Belegschaft teilgenommen haben, wurde dieser Gleichstellungsplan strategisch weiterentwickelt. Er setzt an den strukturellen und institutionellen Verhältnissen, Gewohnheiten und Abläufen an, die der Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern noch entgegenwirken und versucht hier explizit Änderungen anzuregen und zu implementieren. Anhand konkret messbarer Zielvorgaben, deren Umsetzungsstände bei Bedarf evaluiert und nach zwei Jahren überprüft werden, soll die Unterrepräsentanz von Frauen in den jeweiligen Berufs- und Funktionsbereichen abgebaut und Maßnahmen zur Förderung von Gleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie ergriffen werden.
Zugleich ist Gleichstellung eingebunden in die Prozesskette Nachhaltigkeit der Stadt Kleve. Das Nachhaltigkeitsziel 5 „Gleichstellung der Geschlechter“ soll, wie alle 17 Ziele, bis 2030 erreicht werden. Damit wird Gleichstellung zum Ziel aller, sie wird zum Ziel der gesamten politischen Akteur*innen der Stadt Kleve und der Stadtgesellschaft als Ganzes.

Münster: Vorbild für Gleichstellungsarbeit

dunkelhaarige Frau mit Brille und grünem Jacket am Rednerpult

Uns als Jury hat beeindruckt, wie die Stadt Münster es sich zur Aufgabe gemacht hat, Projekte und Maßnahmen für die Bürgerinnen und für die Beschäftigten der Verwaltung strategisch, partizipativ und nachhaltig zu planen und umzusetzen. Es ist eine Aufgabe, die nicht nur Zahlen, Statistiken verändert, sondern auch Herzen und Perspektiven. Die Gleichstellungsarbeit hat sich in Münster über die Jahre hinweg stetig weiterentwickelt und ist heute ein Vorbild für viele andere Städte. Sie haben bereits im Jahre 2009 die Europäische Charta für Gleichstellung unterzeichnet. Und ein bedeutender Meilenstein war die Einführung von Gendermonitoring und Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Führungspositionen. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist beispielsweise innerhalb der Stadtverwaltung in den letzten vier Jahren auf 42% gestiegen. Der Verwaltungsvorstand der Stadt Münster ist bei 6 Personen mit insgesamt 2 weiblichen Personen besetzt. Der Rat besteht aus 41 Ratsherren und 25 Ratsfrauen. Augenzwinkernd, da ist sicher bezüglich Quotierung noch Luft nach oben. Im September sind übrigens Kommunalwahlen in NRW. Eine gute Gelegenheit für die Parteien, ihre Ratslisten gendergerecht aufzustellen. Besonders hervorgehoben hat die Jury die Maßnahmen, Aktionspläne zur Stärkung von LSBTIQ* . Ebenso die Umsetzung der Istanbul-Konvention.

Laudatio für Verden (Aller)

Kreis mit Stadtansicht Verden

Gleichstellung mit voller Unterstützung des Rates
Laudatio von Cécile Weidhofer, EAF Berlin

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Lutz Brockmann, Sehr geehrte Frau Dr. Kathrin Packham, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Verden! Liebe Mitstreiterinnen, es ist mir eine große Ehre, eine Freude und zugleich eine Verantwortung, heute im Namen der Jury die Laudatio für die Stadt Verden zu halten. Bevor ich mit der eigentlichen Laudatio beginne, muss ich kurz etwas loswerden: In der Jury-Sitzung haben wir uns nicht nur mit gleichstellungspolitischen Kriterien beschäftigt – nein, wir hatten eine echte Sprachkrise. Es ging heiß her: Verden, Ferden, Vördn  - Zwischendurch sah es fast so aus, als würden wir eher ein Seminar in Phonetik abhalten als eine Jury-Sitzung. Doch jenseits dieser heiteren Debatte wurde uns schnell klar: Über die niedersächsische Stadt zu sprechen, heißt über Haltung, Veränderungswillen und gelebte Gleichstellung zu sprechen. Als Frau, deren Muttersprache nicht Deutsch ist,  und als jemand, der sich hauptamtlich und ehrenamtlich für mehr Geschlechtergerechtigkeit  und Vielfalt in der Politik einsetzt– weiß ich: Gesellschaftlicher Wandel passiert nicht einfach. Er wird gemacht. Mit Mut, mit Vision – und mit dem festen Willen, wirklich etwas zu verändern. Und genau dieser Wandel findet seit vielen Jahren in Verden statt. Ein gutes Beispiel dafür ist die frühkindliche Bildung: In Verden gibt es wohnortnahe Kitas mit hoher Qualität – verlässlich geöffnet von 7 bis 16 Uhr. Die Stadt geht hier mit einem Betreuungsschlüssel von möglichst drei Fachkräften pro Gruppe über die landesrechtlichen Vorgaben hinaus und setzt Standards, an denen sich andere orientieren könnten.

Zahlen allein bewirken noch keine Veränderung

eine Frau mit Brille und ein Mann mit grauen Haaren am Rednerpult

Was Verden wirklich auszeichnet, ist das Miteinander . Im Stadtrat kommen vielfältige Perspektiven zusammen, eine engagierte Zivilgesellschaft bringt sich ein, und, ganz entscheidend: eine Verwaltung mit Gestaltungswillen treibt Veränderungen voran. Besonders hervorheben möchte ich die mutige und beharrliche Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten – ebenso wie das klare und verlässliche Engagement des Bürgermeisters. In Verden wird  gemeinsam gestaltet: bewusst, entschlossen und intersektional. Es ist darum kaum verwunderlich, dass Verden sich auch durch eine echte Kultur der Beteiligung auszeichnet – etwa beim Thema Sicherheit im öffentlichen Raum oder in der Verkehrsplanung. Ich nenne gerne zwei Beispiele. Beim „Night-Walk“ haben Mädchen und Frauen gemeinsam mit Streetworkerinnen und der Polizei unsichere Orte in der Stadt identifiziert. Die verkürzten Beleuchtungszeiten während der Energiekrise wurden angepasst. Mehr Licht, mehr Sicherheit, mehr Freiheit – für alle. Im Rahmen eines Fußverkehrs-Checks prüften Bürgerinnen und Bürger mit Verwaltung und Politik die Gehfreundlichkeit der Innenstadt. Verden gehört zu den ersten Kommunen in Niedersachsen, die dabei die Expertise der Mobilotsin genutzt haben – mit besonderem Fokus auf sichere, barrierefreie Wege für Frauen und Kinder. Verden denkt nach vorn und zeigt zugleich: Zukunft entsteht nur dann, wenn wir auch unsere Geschichte kennen und lebendig halten. Mit ihrer feministischen Erinnerungskultur  - ich empfehle die Stadtführung zu Verdens starke Frauen - bewahrt und ehrt Verden das Erbe von Anita Aug-spurg – der großen Frauenrechtlerin, die 1857 in Verden zur Welt kam und einst schrieb: „Was verstehen wir unter dem Recht der Frau? Nichts anderes als das Recht der Menschen überhaupt.“ Diese Worte sind heute so aktuell wie damals. Verden hat verstanden: Gleichstellung ist kein Sonderrecht. Sie ist das Herzstück einer gerechten Gesellschaft. Sehr geehrte Frau Dr. Packham, Sehr geehrter Herr Brockmann Danke. Sie geben Hoffnung. Sie machen Mut. Und Sie zeigen uns: Eine Stadt kann ein Zuhause für alle sein – wenn sie jeder Lebensgeschichte Raum gibt, Respekt entgegenbringt und Teilhabe ermöglicht. Im Namen der Jury gratuliere ich Ihnen von Herzen.