- Werte sind bedroht
- Demokratiefeind*innen wollen Gleichstellung der Geschlechter abschaffen und propagieren ungerechte Familienbilder
- Gleichstellung ist noch nicht erreicht und muss jeden Tag auf´s neue erkämpft werden
Mehr denn je ist unser Grundgesetz von Demokratiefeind*innen bedroht. Rechtsradikale stellen wichtige Prinzipien in Frage, wie beispielsweise die Gleichstellung der Geschlechter und stellen sich damit gegen eine demokratische und gerechte Gesellschaft.
Die Gleichstellung ist auch nach 75 Jahren noch nicht vollständig erreicht, wie Studien zeigen: Bei gleichwertiger Arbeit verdienen Frauen immer noch weniger als Männer, ist die wieder steigende Gewalt gegen Frauen ein massives gesellschaftliches Problem, Feministinnen werden in sozialen Medien bedroht, beleidigt und mundtot gemacht, Politikerinnen sollen mit Hass und sexistischen Angriffen im Netz zum Aufgeben gezwungen werden- das geht einher mit toxischen Männlichkeitsbildern, die wieder populär werden. Frauen tragen noch immer die Hauptlast der unbezahlten Sorge- und Familienarbeit und sind dadurch häufig von Altersarmut bedroht.
Als Elisabeth Selbert, Friederike Nadig, Helene Weber und Helene Wessel, auch bekannt als die "Mütter des Grundgesetzes" die Aufnahme des Satzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ als Artikel 3 Absatz 2 in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erstritten, war dies schlicht eine Revolution. Das Familienrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch war bis dahin an Vorrechten des Ehemannes orientiert.
Die Umsetzung dieses Gleichheitsgrundsatzes gestaltete sich ebenfalls als langwieriger Prozess. Erst im Jahr 1950 wurde ein Frauenreferat im Bundesministerium des Innern eingerichtet, und erst 1957 wurde das Letztentscheidungsrecht des Ehemannes in ehelichen und familiären Angelegenheiten aufgehoben. Er hatte bis dahin das Letztentscheidungsrecht in allen ehelichen Fragen: Finanzen, Vermögen und Erwerbstätigkeit der Ehefrau. Die Frau war verpflichtet, den Haushalt zu führen. Der Ehemann hatte die Vormundschaft über gemeinsame Kinder. Eine Scheidung ließ eine Frau mittellos zurück.
Auch viele andere Gesetze benachteiligten Frauen, z.B. das Arbeitsrecht durch Lohnabschlagsklauseln oder das Rentenrecht durch unterschiedliche Bewertungsgrundlagen.
Bis weit in die 1980er Jahre hinein wurden aufgrund des Grundgesetzartikels rechtliche Ungleichheiten aus Gesetzen entfernt. Dies geschah selten freiwillig, sondern meist aufgrund von Gerichtsurteilen oder auch aufgrund von Richtlinien der europäischen Union.
Die rechtliche Gleichstellung hat noch lange nicht bewirkt, dass De-Facto Ungleichheiten beseitigt sind. Gender Pay Gap, Gender Pension Gap, Gender Care Gap, fehlende Parität in Parlamenten: Die großen Dysbalancen, die bis heute zu Benachteiligungen von Frauen in vielen Lebenslagen führen.
Auch die Vision von Helene Weber, die Lohngerechtigkeit verfassungsrechtlich zu verankern, ist nach wie vor von großer Bedeutung.
Vor 30 Jahren, 1994, erkämpften Frauen in West und Ost gemeinsam die Ergänzung des Satzes „Der Staat fördert die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Dieser Satz erteilt allen staatlichen Ebenen die Aufgabe, sich aktiv um die Beseitigung von Nachteilen zu kümmern. In fast allen Städten, Gemeinden und Kreisen gibt es heute Gleichstellungsbeauftragte, die dafür streiten und Wege aufzeigen, den Geist des Grundgesetzes umzusetzen. Vor 75 Jahren trat der Grundgesetzartikel 3, Absatz 2 in Kraft und hat nichts an Aktualität eingebüßt.
Zum Weiterlesen: Vor 75 Jahren: Gleichberechtigung im Grundgesetz (bundestag.de)
Berlin, 22.05.2024